Mittwoch, 4. Januar 2012

Wir nennen es Arbeit.

Ausschnitte aus dem Kapitel "Im Inneren der Maschine" (S.53-56):

"(...) In der Praxis des Arbeitsalltags jedoch sind ganz andere Qualitäten gefragt, auf die einen weder Schule noch Universität vorbereiten. Flexibilität heißt hier nur noch Anpassungsfähigkeit und die Gabe, den eigenen Drang nach Freiheit und geistiger Unabhängigkeit wirksam zu unterdrücken.
Der Terminus "originelle und unangepasste Mitarbeiter" ist entweder eine Lüge oder ein Kündigungsgrund.
Natürlich gibt es immer noch Stellen zu besetzen und natürlich werden auch ab und zu Menschen fest eingestellt, wenn "die Konjunktur anzieht". Sobald man diese magische Grenze durchbrochen hat, die Tinte unter dem Festanstellungsvertrag getrocknet ist, beginnt ein schleichender Prozess der strukturellen Verblödung. Lasst, die ihr eintretet, jedes kritische Urteilsvermögen fahren. Diese Art von Verblödung ist für den Einzelnen nichts Schlimmes oder Unangenehmes, sie ist im Gegenteil karrierefördernd und wird oft als "Professionalität" bezeichnet. Sie vollzieht sich unmerklich und geht häufig mit einer Veränderung des äußeren Erscheinungsbildes in Richtung "seriös" einher. Wir bemerken sie am ehesten bei anderen, bei Menschen, die mit ihrer Festanstellung ehrgeizige Karriereziele verknüpfen und bereit sind, diesem Ziel vieles unterzuordnen, woran sie früher geglaubt haben oder was ihnen einmal wichtig war. Es ist eine subtile Verschiebung des Blickwinkels: Die zentrale Frage, die einen vom Aufstehen bis zum Ins-Bett-Gehen und oft noch bis in die Träume verfolgt, lautet nun nicht mehr "Was kann ich tun, damit ich glücklich werde?" sondern "Wie kann ich meine persönliche Situation verbessern unter den Bedingungen, die mir mein Arbeitsplatz und mein bisheriger Lebenslauf auferlegen?"
(...)
Wie kann man in der Wissensgesellschaft noch davon ausgehen, dass der Output des Arbeitnehmers im proportionalen Verhältnis zu der Zeit steht, die er in der Firma vor seinem Rechner absitzen muss?"




Die Ausschnitte sind (natürlich) etwas aus dem Zusammenhang gerissen und auf manche Branchen/Festanstellungen trifft das bestimmt auch nicht in diesem Maße zu, aber trotzdem bringen die hier zitierten Passagen einige wichtige Tatsachen genau auf den Punkt. Man sollte trotzdem das ganze Buch lesen (unbedingt sogar!!).


Holm Friebe&Sascha Lobo: Wir nennen es Arbeit. Die digitale Bohème oder Intelligentes Leben jenseits der Festanstellung.

http://wirnennenesarbeit.de/

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